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1964-1966

Alles begann am 18. April 1964 mit einem Konzert der Knabenkapelle aus Boppard auf dem "Porpel" in St. Goar. Die Stadt hatte diese Veranstaltung unterstützt, um Kinder und Jugendliche für eine St. Goarer Jugendkapelle zu begeistern. Verantwortlich für die neue Kapelle unter Leitung von Pit Scholtes zeichnete zunächst der F.C. Rheinfels.

25 Jungen hatten sich im Anschluss an das Konzert im Rathaus als Interessenten gemeldet. Zur ersten Probe am Montag danach erschienen rund 40 auf Burg Rheinfels. Proberaum war die "Große Wachstube", die heute den "Treidlern" als Ausstellungsraum dient, damals aber noch nicht renoviert und weder beheizt noch beleuchtet war. Geübt wurde zunächst auf Fanfaren, marschiert wurde im Burghof, bei Regen im "Großen Keller". Gegen Ende des Sommers gab es dann die ersten, zunächst von der Firma Schellenberg in Trier geliehenen Instrumente. Mit ihnen konnte die Knabenkapelle dann schon auf dem Martinsumzug 1964 ihren ersten "richtigen" Auftritt absolvieren.

Als der Herbst gekommen war und es in der Wachstube zu kalt wurde, konnte vorübergehend der ebenfalls noch nicht renovierte Hansensaal als Proberaum benutzt werden. Im Winter stellte dann Rino Aita seine Eisdiele zur Verfügung - unentgeltlich und ohne auch nur eine Beteiligung an den Heizkosten zu akzeptieren.

Überhaupt konnten die Schwierigkeiten, die der Aufbau eines Orchesters mit sich bringt, nur mit der bereitwillig gewährten Hilfe der St. Goarer Vereine, Gastronomie und Geschäftswelt bewältigt werden. Auch bei Herrn Stadt- und Amtsbürgermeister Baldus fand man allzeit ein offenes Ohr.

Franz-Josef Goedert, der am 29. Oktober 1964 zum Vorsitzenden gewählt worden war, verstand es mit seinem Vorstand meisterhaft, seine vielfältigen Verbindungen zum Nutzen des jungen Vereins einzusetzen.

Persönlichen Einsatz und finanzielle Opfer hatten natürlich auch die Eltern der Jungens zu erbringen. Jedes einzelne Stück der Ausrüstung, Marschgabeln, Trageriemen, Noten und sogar die "Schiffchen" mussten sie bezahlen. Um das Honorar für Herrn Scholtes aufzubringen, musste jeder Musiker bei jeder Probe 1,- DM an den Kassierer abliefern, der hierüber genau Buch führte. (Diesem Umstand ist es zu verdanken, daß heute noch genau festzustellen ist, wer damals regelmäßig zu den Proben kam.)

Ständiger Begleiter bei Ständchen und Konzerten aller Art war ein rosa Plastik - Sparschwein, das kräftig mithalf, die Zuhörer zur Aufbesserung des schmalen Etats zu ermuntern.

Bei den ersten Auftritten halfen oft die "älteren" Kollegen aus Boppard aus. Später füllten auch die St. Goarer deren Reihen und so kamen einige der jungen Musiker schon recht früh weit herum. Auch Prominenz bekam man zu sehen, so den damaligen Bundeskanzler Ludwig Erhard anlässlich eines Ständchens bei seinem Besuch im Hause des Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Peter Altmeier, am 22. August 1965.

Das Jahr 1965 brachte überhaupt schon den Einstieg in das Tagesgeschäft einer Blaskapelle. Während die Mitwirkung am Karnevalsumzug in St. Goar noch nicht ganz standesgemäß verlief - die gesamte Kapelle war auf einen Lastwagen verladen worden - folgten alsbald Teilnahmen am Schützenfest, Hansenfest, am 40. Stiftungsfest der Freiwilligen Feuerwehr und bei der Gedenkfeier am Volkstrauertag.




Erster Karnevalsumzug des jungen Orchesters; Fassenacht 1965. Man hatte die "Bläserbuwe" deswegen verladen, weil sie noch nicht richtig marschieren konnten (sie waren teilweise erst neun Jahre oder jünger), weil ihr Meister Pitt Scholtes eine Beinverletzung hatte und am Stock gehumpelt wäre, und weil man es ihnen etwas leichter machen wollte. Luise Fuchs und Käthe Goedert hatten aus schneöö herbeigeschafften preiswerten Tupfenstoff in Tag- und Nachtarbeit für jeden ein "Kittelchen" genäht, damit es "nach etwas aussah".


Weißer Sonntag 1965: Abholen der Kommunionkinder an der Schule; v.l.: Pit Scholtes, Stefan Krick (Bariton); Ulrich Theiß (Posaune); Burkhard Theiß (Trommel); Michael Lehmann (Trommel); Harald Wollner (Klarinette); Heinz-Werner Schorn (Posaune); Pulch, Boppard; Wolf-Rüdiger Vettin (Posaune); Detlef Schink (Tenorhorn), Dieter Lang (Trompete)


Höhepunkt des Jahres war für die Kapelle jedoch die erste eigene Großveranstaltung, die Jugendmusiktage auf Burg Rheinfels am 16. und 27. Juni mit dem "Großen Zapfenstreich", gemeinsam aufgeführt von den Jugendkapellen Boppard, Karbach und St. Goar, dem "Mittelrheinischen Jugendblasorchester".

Nachdem die Eisdiele mit Beginn des Frühjahrs wieder ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt werden musste und sich das neue Mehrzweckgebäude als nicht geeignet erwiesen hatte, fehlte es wieder an einem Proberaum. Franz-Josef Goedert gelang es, die Erlaubnis zur Nutzung des alten Strandbadgebäudes zu erhalten. Da dieses jedoch in einem sehr schlechten Zustand war, mussten die Eltern umfangreiche Renovierungsarbeiten durchführen. Die Wände der Badekabinen mussten herausgeschlagen werden, das Gelände wurde eingezäunt und mit einer Tür versehen, die Treppe zur B 9 wurde angelegt. Am 13. Juni 1965 konnte die Knabenkapelle ihr erstes eigenes Probelokal beziehen.

Auch 1966 fanden wieder Jugendmusiktage statt, am 18. und 19. Juni. Ein noch wichtigeres Ereignis waren jedoch die Feiern zum 150jährigen Bestehen des Kreises St. Goar mit einem großen Festakt am 25. und 26. Juni. Anlässlich dieses Jubiläums startete in St. Goar die 1. Internationale Rheinland-Pfalz-Rundfahrt der Radamateure, wobei die Kapelle musikalisch mitwirken durfte.

Dieses Jahr brachte auch einen ersten bedeutsamen Einschnitt für das Orchester mit sich, die Trennung von Pitt Scholtes. Sie bedeutete nicht einfach nur einen Dirigentenwechsel, sondern fast eine Spaltung des Orchesters, da einige Musiker mit dem alten Dirigenten gingen. Wenn auch die ersten Voraussetzungen für ein Gedeihen der Kapelle geschaffen schienen, konnte von einem Ausruhen auf erworbenen Lorbeeren keine Rede sein.